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2010-11-14


Kubas joint ventures werden in erster Linie von den Revolutionären Streitkräften (FAR) betrieben. Der langjährige Kommandeur der FAR und jetziger Premierminister der Insel, Raúl Castro, gilt seit den 1980er Jahren als “Reformer”. Unternehmen des Militärs sind jetzt der größte Partner von ausländischem Kapital auf Kuba und kontrollieren etwa 40% des BIP: die Tourismusholding Gaviota S.A., im Besitz der FAR, ist eins der größten Unternehmen auf der Insel[33].

Die Existenz von privaten Unternehmen hat zu weitverbreiteter Korruption auf allen Ebenen des kubanischen Systems geführt: von lokalen InspekteurInnen, die Bestechungen von Kleinunternehmen annehmen, bis hin zu Generälen, die Schmiergelder annehmen, während sie millionenschwere Verträge mit internationalen Tourismusunternehmen aushandeln. Aus marxistischer Sicht ist die gefährlichste Entwicklung, dass Risse im staatlichen Außenhandelsmonopol entstehen. Z.B. können joint ventures selbst Güter importieren, außerhalb des kubanischen Wirtschaftsplans. Eine Gruppe kubanischer WirtschaftswissenschaftlerInnen stellte bereits 1995 fest: “Die Aktivität des Außenhandels, früher durch das Außenhandelsministerium vollständig kontrolliert, wird durch eine wachsende Zahl von Unternehmen direkt übernommen (von Unternehmen, die staatlichen Organismen gehören, Handelsgesellschaften in den Händen von kubanischem Kapital, joint ventures und VertreterInnen ausländischer Firmen.”[34]

Die herrschende Partei, die Kubanische Kommunistische Partei, wurde erst sechs Jahre nach der Revolution gegründet – und hielt ihren ersten Kongress erst sechs Jahre danach ab. Die PCC war vor der “Institutionalisierung” der Revolution in den 1970er Jahren nicht der zentrale politische Apparat auf der Insel – diese Rolle blieb den Streitkräften vorenthalten. Jetzt basiert das politische System auf einem Machtgleichgewicht zwischen den (sich oftmals überschneidenden) Partei- und Militärbürokratien. Gerade in den schwierigen Zeiten der “Sonderperiode” wuchs die PCC erheblich: beim fünften Kongress im Jahr 1997 hatte die Partei 780.000 Mitglieder, ein Drittel davon erst nach 1990 eingetreten[35]. Vor diesem Hintergrund änderte sie ihre Selbstbeschreibung von “einzige Partei der kubanischen ArbeiterInnen” in “einzige Partei der kubanischen Nation” und ersetzte den Marxismus-Leninismus durch den kubanischen Nationalismus als Leitideologie[36].

In den letzten Jahren gab es eine gewisse Ausweitung demokratischer Rechte. Es gibt weniger Pressezensur, mehr Diskussion auf den Universitäten, eine Offenheit gegenüber den Rechten von LBGT-Menschen – man kann auf der internationalen Buchmesse in Havanna sogar Werke von Leo Trotzki kaufen[37]! Doch das ist in erster Linie ein Ausdruck von Marktreformen, nicht von sozialistischer Demokratie. Ein bürgerliches Wirtschaftssystem braucht ein gewisses Maß an öffentlichem Diskurs, um sich über Mechanismen von Angebot und Nachfrage selbst zu regulieren.

Fußnoten:

33. Brenner: Cuba Reader. P. 48.
34. Zit. nach: Hernández: “Cuba … no es una isla”. P. 110.
35. LeoGrande: “Single Party”. P. 191.
36. Ebd. P. 184-185.
37. Dies ist kein Zeichen dafür, dass die kubanische Regierung für die revolutionären Ideen Leo Trotzkis offen ist, sondern dafür, dass sie sich momentan keine Sorgen über eine ArbeiterInnenrevolution auf der Insel macht.



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