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2009-12-05


Nach den Wahlen in Honduras am 29. November triumphierte die bürgerliche Presse. Die Zeitung “El Heraldo” verkündete: “Honduras besiegt die Stimmenthaltung mit einer massiven Wahlbeteiligung”. Am gleichen Abend erklärte das Oberste Wahlgericht, dass die Wahlbeteiligung bei rund 65% gelegen habe, also weit höher als bei den Präsidentschaftswahlen 2005, als nur 46% der Wahlberechtigten eine Stimme abgaben.

Im Gegensatz dazu hielten Präsident Manuel “Mel” Zelaya, der bei einem Putsch am 28. Juni abgesetzt wurde, und die Nationale Front des Widerstands gegen den Putsch fest, dass etwa 65%-75% der HonduranerInnen nicht gewählt hätten. Unabhängige JournalistInnen bestätigen, dass in der Hauptstadt Tegucigalpa in den Schulen (wo die Wahlurnen aufgestellt waren) in der Regel mehr SoldatInnen als WählerInnen anwesend waren.

Die Wochen vor der Wahl waren von Repression geprägt – noch mehr als üblich in den fünf Monaten seit dem Putsch. Zum Beispiel wurde eine Demonstration von 1.000 Menschen am Tag der Wahl in der größten Industriestadt San Pedro Sula von der Polizei aufgelöst. Dabei wurden mindestens zwei Personen schwer verletzt und 49 festgenommen. Die Putschregierung stützte sich von Anfang an auf Repression: AktivistInnen aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen wurden bedroht, angegriffen und von der Polizei oder “Unbekannten” ermordet. Als die Wahlen immer näher rückten, wurde die Repression in der zweiten Novemberhälfte intensiviert.

Der Widerstand gegen den Putsch von den ArbeiterInnen, Bauern/Bäuerinnen und den städtischen Armen von Honduras war wirklich heroisch: am 4. Juli und am 15. September gingen Hunderttausende Menschen auf die Straßen. Eine unabhängige Umfrage von Anfang September ergab, dass nur 17% der Bevölkerung die Putschregierung von Roberto Micheletti unterstützte. Die notwendigen Voraussetzungen waren vorhanden, um die Verschwörung der “zehn Familien”, des Militärs und der Kirche zu zerschlagen.

Das einzige, was im Weg stand, war die Gallionsfigur des Widerstandes, Manuel Zelaya. Er begann seine Amtszeit als Präsident im Jahr 2005, als Spross einer Dynastie der Liberalen Partei. Doch als Reaktion auf die Wirtschaftskrise und eine Welle von Massenkämpfen im Jahr 2008 machte er einen taktischen Ruck nach links und suchte Bündnisse mit anderen “fortschrittlichen” Regierungen in der Region, wie der von Hugo Chávez in Venezuela. Diese Verschiebung nach links kostete ihn die Unterstützung von allen wichtigen Sektoren der Bourgeoisie und allen ihren Institutionen. So hatte Zelaya keine andere Wahl, als sich teilweise auf die armen Massen von Honduras zu stützen – vor allem nach dem Putsch. Doch seine tiefsitzende Treue zu seiner Klasse, der Bourgeoisie, hielt ihn von den Maßnahmen ab, die notwendig gewesen wären, um die Putschregierung zu stürzen.

Zum Beispiel führte Zelayas überraschende Rückkehr nach Tegucigalpa am 21. September, als er Zuflucht in der brasilianischen Botschaft suchte, zu einer aufständischen Situation in den armen Vierteln der Hauptstadt. Die Straßen wurden mit brennenden Reifen blockiert und in einem Fall wurde sogar ein Militärstützpunkt angegriffen – die Regierung musste für mehrere Tage eine landesweite Ausgangssperre verhängen.

Aber Zelaya, anstatt auf diesen Widerstand aufzubauen und den “golpistas” (AnhängerInnen des Putsches) einen endgültigen Schlag zu versetzen, rief zu Dialog und friedlichen Protesten auf. Er traf sich mit den vier wichtigsten KandidatInnen bei den anstehenden Wahlen (und umarmte sie sogar), alle vier golpistas!

Der Staatsstreich vom 28. Juni basierte immer auf der Strategie, die Wahlen fünf Monate später abzuwarten und dann so die so genannte “internationale Gemeinschaft” vor vollendete Tatsachen zu stellen. Nun scheint diese Strategie teilweise aufgegangen zu sein: während große lateinamerikanische Länder sich weigern, das Wahlergebnis anzuerkennen, überraschte der State-Department-Funktionär Thomas Shannon die Welt Anfang November, als er auf CNN en Español erklärte, dass die USA (trotz früherer Aussagen) die Ergebnisse der Wahlen anerkennen würden.

Fatale Verhandlungen

Alle Verhandlungen – das “San José-Abkommen” und der “Guaymuras- Dialog”, bei denen Zelaya alle denkbaren Zugeständnisse machte, um als Präsident wiedereingesetzt zu werden – haben am Ende nur den Putsch legitimiert. Diese gescheiterte Strategie der Verhandlungen ist mehr als nur ein “Fehler”. Zelaya stammt aus einer Familie von GroßgrundbesitzerInnen in der westlichen Provinz Olancho, manchmal auch “das Texas von Honduras” genannt. Sein Vater, der auch Manuel Zelaya hieß, war im Jahr 1975 an der Ermordung von 14 Bauern/Bäuerinnen und Priestern, die für eine Agrarreform gekämpft hatten, auf der Ranch der Familie beteiligt. Der Sohn, der früher “Melito” genannt wurde, hat sich vielleicht von der honduranischen Oligarchie entfremdet, doch er bleibt fest an die Strukturen gebunden, die ihm ihre Macht geben.

Die Widerstandsbewegung – obwohl sie behaupteten, die Forderung nach einer verfassunggebenden Versammlung zu unterstützen und nicht hinter der Regierung Zelaya zu stehen – wurde de facto von Zelaya und jenen Sektoren der Liberalen Partei, die ihn weiterhin unterstützten, geführt. Es gab eine Reihe von mutigen Demonstrationen trotz der ständigen Repression und des Ausnahmezustandes, doch waren diese nie auf eine Strategie ausgerichtet, um die Putschregierung zu stürzen – stattdessen sollten sie die golpistas unter Druck setzen, damit diese Zugeständnisse machen würden.

Das Fehlen einer Strategie beruht zu einem großen Teil auf der Tatsache, dass niemand im Widerstand Zelayas Führung ernsthaft in Frage gestellt hat. Die Nationale Front des Widerstands gegen den Putsch, obwohl sie die Unterstützung einer Mehrheit der Bevölkerung genoß, entwickelte nie Strukturen, die diese Mehrheit hätten organisieren können. Verschiedene Sektoren der Linken haben es nicht geschafft, dieses Potential in die Realität umzusetzen.

Die Linke

Der unabhängige Präsidentschaftskandidat und Gewerkschaftsführer Carlos H. Reyes zog sich am 9. November aus den Wahlen zurück, um gegen die Farce zu protestieren. Auch wenn die bürgerlichen Medien behaupteten, dass er das tat, weil er Angst hatte, nicht genug Stimmen zu bekommen, zeigen Umfragen aus der Zeit vor dem Putsch, dass er mit bis zu 18% Zustimmung hätte rechnen können. Allerdings war Reyes, ein Gewerkschaftsbürokrat und ehemaliger Kader der Kommunistischen Partei, trotz seiner persönlichen Tapferkeit, lange kein konsequenter Kämpfer gegen das Regime. Zum Beispiel lehnte er die Forderung nach einem Generalstreik gegen den Putsch als unrealistisch ab.

Der andere wichtige linke Kandidat, César Ham von der Demokratischen Vereinigung (UD), beschloss, an den Wahlen teilzunehmen in der Hoffnung, dass er als einziger Anti-Putsch-Kandidat profitieren würde.

Allerdings gab es einen gewissen Widerstand gegen diesen Kurs innerhalb der UD, in der Form, dass lokale UD-KandidatInnen sich zurückzogen, sowie in der Form der oppositionellen Strömung “ArbeiterInnen an die Macht” um den linken Parlamentsabgeordneten (und ehemaligen Trotzkisten) Tomas Andino. Nach den offiziellen Angaben erhielt die UD weniger als 2% der Stimmen, so dass sie nicht mal einen kurzfristigen Vorteil von ihrem Opportunismus hatten.

Die Sozialistische Arbeiterpartei (PST) war von Anfang an eine konsequente Gegnerin des Putsches und und plädierte für einen Generalstreik, um Micheletti zu stürzen, sowie für eine revolutionäre verfassungsgebende Versammlung. Allerdings war die PST nicht in der Lage, breitere Schichten für ihre Strategie zu gewinnen.

Es ist jedoch zu erwarten, dass die neue Regierung der Nationalistischen Partei unter dem Politiker Pepe Lopez von der Mehrheit der HonduranerInnen als illegitim angesehen wird. Die Massenproteste im Sommer und die Diskreditierung sowohl der Verhandlungsstrategie von Zelaya wie auch des “Zelayismo” der UD eröffnen neue Möglichkeiten für die politische Organisation der Avantgarde des honduranischen ArbeiterInnenklasse.

Eine solche Organisation, sei es als eine “Partei”, ein “politisches Instrument” oder sonst etwas, müsste dafür kämpfen, den Widerstand auf der Grundlage demokratischer Versammlungen und gewählter Delegierten zu organisieren, mit dem Ziel der Durchführung einer verfassunggebenden Versammlung. Eine solche Versammlung dürfte, im Gegensatz zu der Vision von Zelaya, nicht auf einem Kuhhandel unter den bürgerlichen Parteien zur Ausarbeitung einer neuen Grundrechtecharta basieren. Stattdessen müssen die ArbeiterInnen, Bauern/Bäuerinnen und Armen in den Städten des Landes ihre eigenen VertreterInnen wählen und ihre eigene gesellschaftliche und politische Ordnung durchsetzen.

von Wladek Flakin, von der unabhängigen Jugendorganisation REVOLUTION Berlin, 5. Dezember 2009
veröffentlicht auf Englisch in “Permanent Revolution“, Nr. 15, Winter 2010

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