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2010-05-01


RIO, die Revolutionäre Internationalistische Organisation, nahm am 1. Mai an Demonstrationen in Berlin, Prag, Zürich und St. Gallen teil. Hier veröffentlichen wir die Berichte von diesen Aktionen.

Der 1. Mai in Berlin

Am 1. Mai 2010 wurde der internationale Kampftag der ArbeiterInnen zum 120. Mal abgehalten. In Berlin gab es sehr viele Veranstaltungen – laut der Polizei wurden im Vorfeld 43 angemeldet.

Pünktlich um 10 Uhr zog die Gewerkschaftsdemo vom Wittenbergplatz in Westberlin los. Die Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) wird von Jahr zu Jahr kleiner: dieses Jahr waren höchstens 2.000 DemonstrantInnen dabei. Darunter waren wenige ArbeiterInnen oder Auszubildende – dafür aber Bürgermeister Klaus Wowereit, ganz vorne am Fronttransparent. Dieser Sozialdemokrat war in den letzten acht Jahren für die “Sparen, bis es quietscht”-Politik im Öffentlichen Dienst und im Bildungssystem verantwortlich, doch die Gewerkschaftsführungen setzen immer noch lieber auf die Anbiederung an SozialdemokratInnen als auf Klassenkampf.

Auf der Demo waren verschiedene Kräfte, die die politische Linie des DGBs entschieden ablehnen, z.B. die anarchosyndikalistische FAU, die ArbeiterInnen zum Austritt aus den DGB-Gewerkschaften auffordert, und mehrere türkische stalinistische Kräfte, deren Intervention hauptsächlich durch die Parole “Marx, Engels, Lenin, Stalin, Mao – Viva, Viva, Viva!” auffiel.

Unübersehbar war der Klassenkämpferische Block von mehreren hundert Leuten, die mit Transparenten, Schildern und einem eigenen Lautiwagen “Klassenkampf statt Standortlogik” forderten. Dieser Block – organisiert unter anderem von der “Revolutionären Perspektive”, der ARAB und der DKP Berlin – setze sich für den Aufbau einer klassenkämpferischen Opposition an der Basis der großen Gewerkschaften ein. Dieser Block wurde auch von der “jungen GEW” unterstützt, weshalb es im Gegensatz zum letzten Jahr keine Versuche der DGB-Führung gab, den Lautiwagen aus der Demo zu vertreiben.

Ein Redebeitrag über die “Alternative” im Berliner Daimler-Werk erklärte, wie die IG Metall-Bürokratie versucht, eine oppositionelle Strömung im Betrieb mit Ausschlussverfahren mundtot zu machen. Die UnterstützerInnen der “Alternative” forderten dazu auf, die IG Metall nicht zu verlassen, sondern den innergewerkschaftlichen Kampf für eine kämpferische Politik zu verstärken. Ein Redebeitrag von der “AG Arbeitskämpfe” an der FU Berlin machte klar, dass SchülerInnen und Studierende im Rahmen des bevorstehenden Bildungsstreiks sich an die ArbeiterInnenbewegung wenden müssen.

Weiterhin sind über 10.000 NazigegnerInnen sind dem Aufruf des Bündnisses “1. Mai Nazifrei!” gefolgt und haben in Prenzlauer Berg den geplanten Aufmarsch der FaschistInnen erfolgreich blockiert. Seit dem frühen Morgen wurde versucht, die von der Polizei abgesicherte Naziroute zu besetzen. Doch nicht wo die Flashmobs planlos von Absperrung zu Absperrung gehetzt wurden und auf eine Einladung der Polizei warteten, sondern wo AntifaschistInnen sich ein Herz nahmen und zielgenau die Absperrungen gewaltsam durchbrachen, konnten Blockaden gebildet werden.

So konnte die Naziroute bereits am Vormittag an drei wichtigen Punkten massenhaft blockiert und trotz Einschüchterungsversuchen mit bereitgestellten Wasserwerfern gehalten werden. Nur die Blockade der östlichen Bornholmer Straße gelang nicht in ausreichender Zahl. Hier, in der Nähe des Sammelpunktes der Rechten, ging die Polizei mit Pfefferspray und Schlagstöcken vor. So konnten bis zum späten Nachmittag nur kleine Blockaden oder ein Sabotageversuch des Lautis durchgeführt werden.

Doch letztendlich konnten die rund 600 Glatzen, die schlussendlich erschienen, nur einige Hundert Meter marschieren, bevor sie kurz vor 18 Uhr umdrehen und nach Hause fahren mussten.

Abends fand zum 22. Mal die Revolutionäre 1. Mai Demonstration statt. Mit erheblicher Verspätung (damit BlockadeteilnehmerInnen noch eintreffen konnten) begann der Aufzug durch Kreuzberg und Nordneukölln unter dem Motto “Die Krise beenden – Kapitalismus abschaffen!” Über 15.000 Menschen hatten sich trotz massiver Vorkontrollen und brutalster Drohungen durch die Polizei (“Es könnte Tote geben”) auf der Südseite des Kottbusser Tors versammelt.

Der Hauptredner, Heinrich Fink vom VVN-BdA, sprach sich deutlich für die Überwindung des Kapitalismus aus. Doch konkrete Perspektiven, wie der Kapitalismus überwunden werden könnte, waren sowohl in seiner Rede wie auf der gesamten Demonstration nicht immer leicht zu erkennen.

Zum Glück lief der ziemlich gut organisierte Klassenkämpferische Block an der Spitze, was die gesamte Demonstration disziplinierter und vor allem politischer machte. Dort gab es Forderungen nach Widerstand in den Betrieben, klassenkämpferischen Gewerkschaften und politischen Streiks – ein positiver Gegensatz zu den eher abstrakten Parolen, die sonst den 1. Mai dominieren.

Trotz der wochenlangen Hetze in den bürgerlichen Medien über die “Mai-Randale” verlief die Demonstration überraschend friedlich. “Hey, hier sind irgendwie keine Bullen”, meinte ein erstaunter Punker im vorderen Teil der Demo. Tatsächlich hielten sich die über 6.000 PolizistInnen fast komplett außer Sichtweite und deswegen kam es auch nicht zu Ausschreitungen.

Die Demo bewegte sich sehr schnell und erreichte in weniger als einer Stunde den Ort der Abschlusskundgebung am Spreewaldbad. Erst hier begannen die Angriffe der Bullen auf Linke – die in den bürgerlichen Medien gefeierte Polizeistrategie der “ausgestreckten Hand” bedeutete keine Hemmung der Polizeigewalt, wie ein Video auf Youtube eindrucksvoll zeigt. Doch selbst das war eher bescheiden im Vergleich zur polizeilichen Gewaltorgie vom letzten Jahr, als fast 300 Menschen festgenommen wurden.

RIO, die Revolutionäre Internationalistische Organisation, war mit einem kleinen aber gut sichtbaren Kontingent im klassenkämpferischen Block auf beiden Demonstrationen. Mit unseren neuen roten “Streik!”-Shirts ausgestattet und mehreren Auszubildenden und SchülerInnen dabei verteilten wir rund 2.000 Flyer für unser bevorstehendes Seminar über Lateinamerika und unser linkes Hiphop-Konzert (beide im Juni).

von Wladek (RIO) und David, Berlin

Der 1. Mai in der Tschechischen Republik

Der 1. Mai in der Tschechischen Republik war überraschend ruhig. RIO-Mitglieder waren mit anderen AktivistInnen der radikalen Linken der Neuen Antikapitalistischen Linken (NAL) gemeinsam aktiv.

Die tschechische faschistische Partei DS-SS (“Arbeiterpartei für soziale Gerechtigkeit”) organisierte ein kleines Treffen zu den anstehenden Wahlen mit nur 100 TeilnehmerInnen. Folglich gab es keine große Demonstration gegen sie. Die NAL entschied sich, verschiedene Wahlveranstaltungen von reformistischen Parteien zu besuchen und dort für eine revolutionäre Politik zu intervenieren. In fünf Städten trat die NAL auf: in Prag, Pilsen, Liberec, Melnik und in Tabor. Wir verkauften unsere Zeitung und verteilten Flugblätter.

Am Nachmittag gingen einige Mitglieder in die Kneipe und diskutierten mit verschiedenen linken AktivistInnen. Andere RIO-Mitglieder besuchten das „Antifa Festival zum 1. Mai“, ein jährlich stattfindendes Musikfestival, auf dem es auch ein bisschen um Politik geht, wo aber Entertainment die Hauptrolle spielt. Unglücklicherweise ist die tschechische Antifa von AnarchistInnen dominiert, die dem Marxismus und anderen linken Orientierungen feindlich gegenüberstehen. Daher konnten wir nur wenige Flugblätter an unsere SympathisantInnen verteilen.

von Roman, RIO Prag

Bericht vom 1.Mai in der Schweiz

RIO St.Gallen nahm an einem ereignisreichen 1. Mai in Zürich und St.Gallen teil. Die offizielle Demonstration in Zürich war mit 8000 Personen trotz Regen ziemlich gross. Nach Abschluss der Route zog der revolutionäre Block – etwa 500 Personen – weiter, um am Paradeplatz die rote Fahne zu hissen. Der Paradeplatz ist das symbolische Zentrum des Bankenplatz Schweiz und somit sehr prestigeträchtig. Doch schon auf dem Weg dorthin war die angekündigte massive Repression zu spüren. Der Weg wurde komplett abgeriegelt. Also machte mensch sich auf den Weg zum revolutionären Treff, wo den ganzen Tag ein kulturelles Programm mit Konzerten und Ausstellungen stattfand.

Bald jedoch wurde nach Provokationen seitens der Polizei das ganze Areal umstellt und anschliessend geräumt. Dabei wurde der grösste Teil der anwesenden Personen in Kessel aus Gitterwagen getrieben und dort verhaftet. Im Anschluss kam es in Umkreis des Areals zu Scharmützeln, die jedoch brutal mit Gummigeschossen und Tränengas zersprengt wurden. Immer wieder kam es auch zu Übergriffen von Zivilpolizisten, die – teilweise unter die DemonstrantInnen gemischt – plötzlich Tränengasgranaten zündeten.

Rückblickend betrachtet wurde das Programm der revolutionären Kräfte am 1.Mai durch den Polizeieinsatz massiv gestört, 353 Personen wurden verhaftet, was einem sehr grossen Teil des revolutionären Blocks entsprach.

In St.Gallen startete die offizielle Demonstration um 15:00. An die 200 Personen nahmen daran teil. Durch das Wetter und die Inexistenz eines antikapitalistischen oder gar revolutionären Blocks erinnerte das Ganze eher an einen Fastnachtsumzug. Trotzdem gelang es RIO St.Gallen, zum ersten Mal bei einem öffentlichen Anlass Präsenz zu zeigen. Nach Abschluss der Demonstration wurde noch eine Platzkundgebung gehalten, die die Juso mit mehreren Reden dominierte.

von Bert, RIO St. Gallen



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