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2010-03-08


Die radikale Linke in Argentinien organisiert eine Demonstration in Buenos Aires zum Frauenkampftag. Ein Gespräch mit Andrea D’Atri, Sprecherin der argentinischen Frauenorganisation “Pan y Rosas” (Brot und Rosen), die mit der “Partido de los Trabajadores Socialistas” (Sozialistische Arbeiterpartei) verbunden ist.

Heute ist der internationale Kampftag der Frauen. Wie wird er in Buenos Aires gefeiert?

“Pan y Rosas” und andere Gruppen der radikalen Linken rufen zu einer Demonstration zum Kongress auf. Auf der Abschlusskundgebung auf dem Plaza de Mayo werden Frauen sprechen, die bei jüngsten Arbeitskämpfen eine führende Rolle spielten. So berichtet zum Beispiel eine Arbeiterin, die dem neu gewählten, klassenkämpferischen Betriebsrat in der größten Lebensmittelfabrik des Landes, “Kraft-Terrabussi”, angehört, sowie eine Aktivistin aus der Fabrik “Pepsico Snacks”.

Wofür steht der Zusammenschluss “Pan y Rosas”, zu deutsch “Brot und Rosen”?

Wir sind eine Frauenorganisation, die 2003 gegründet wurde. Damals waren wir nur 30 Genossinnen, hauptsächlich von der Universität. Mittlerweile haben wir mehr als 1 000 Mitglieder in 14 Städten, darunter mehrheitlich Arbeiterinnen und Hausfrauen. Damit sind wir die größte linke Frauenorganisation, die es je in der argentinischen Geschichte gab. Wir kämpfen für das Recht auf Abtreibung – uneingeschränkt und kostenlos –, für ein Ende der Gewalt gegen Frauen und für die Rechte der arbeitenden Frauen. Unsere Grundlagen sind die Unabhängigkeit vom Staat und den Parteien der UnternehmerInnen, der Antikapitalismus und die sozialistische Revolution

Die bürgerliche Presse feiert den “Präsidentinneneffekt” (“efecto presidenta”), also die Wahl von Cristina Fernández de Kirchner, als Fortschritt für die Frau. Wie sehen Sie das?

Kirchner machte zur gleichen Zeit Wahlkampf wie Michelle Bachelet in Chile, Ségolène Royal in Frankreich und Hillary Clinton in den USA . Sie versprach “ein Jahrhundert der Frauen”. Viele Feministinnen hier dachten, dass die Wahl einer Präsidentin automatisch dazu führen würde, dass unsere Forderungen gehört und auch erfüllt werden. Zum Beispiel die nach einem Recht auf Abtreibung, obwohl Kirchner sich immer wieder gegen dieses Recht ausgesprochen hat, selbst im Vatikan. Der “Präsidentinneneffekt” bestand aus meiner Sicht vor allem in der Demobilisierung der Frauenbewegung, die an die Regierung gebunden wurde.

Das Recht auf Abtreibung ist in fast allen Ländern Lateinamerikas sehr eingeschränkt. Wie sieht es konkret in Argentinien aus?

Umfragen besagen, dass 80 Prozent der Bevölkerung ein Recht auf Abtreibung in bestimmten Fällen, zum Beispiel nach Vergewaltigungen, fordern. 70 Prozent sind demnach für das uneingeschränkte Recht auf Abtreibung. Doch hier gilt immer noch ein Gesetz aus dem Jahr 1913, das den Schwangerschaftsabbruch nur erlaubt, wenn die Frau “dement” oder “Idiotin” ist.

Jährlich kommt es beinahe zu 500.000 heimlichen Abtreibungen – bei etwa 700.000 Geburten. Für Frauen, die Geld haben, gibt es “illegale” Kliniken. Der Eingriff dort ist teuer, weil PolitikerInnen und PolizistInnen bestochen werden müssen, damit sie wegsehen. Doch für arme Frauen gibt es keine Ärztinnen, höchstens Krankenschwestern oder Geburtshelferinnen mit teilweise grausamen Methoden. Man schätzt, dass jedes Jahr zwischen 300 und 400 Frauen an den Folgen heimlicher Eingriffe sterben.

Dabei verhindert die katholische Kirche bis heute, dass es Sexualunterricht an Schulen gibt. Wir fordern “Verhütungsmittel, um nicht abtreiben zu müssen, und Abtreibungen, um nicht sterben zu müssen”.

Wie ist die Lage der arbeitenden Frauen in Argentinien?

54% der Frauen, die in diesem Land arbeiten, machen Schwarzarbeit, das heißt, sie haben keine Rechte. Aber in den stärker werdenden Basisgewerkschaften (“sindicalismo de base”) spielen Frauen eine wichtige Rolle. Bei den Lebensmittelproduzenten, die ich am Anfang erwähnte, machen Frauen etwa 70 Prozent der Belegschaften aus. Bei einem Streik bei “Kraft-Terrabussi ” im August und September vergangenen Jahres standen sie in der ersten Reihe. Angesichts der Schweinegrippe hatten sie zunächst bessere Hygienemaßnahmen gefordert, gerade weil es im Werk eine Kinderkrippe gibt. Das Unternehmen nahm die Proteste zum Anlass, um 150 AktivistInnen zu entlassen, fast alle Delegierten der Belegschaft. Daraufhin wurde über vier Wochen gestreikt – und die meisten Entlassungen mussten zurückgenommen werden.

Wie sieht die internationale Arbeit von “Pan y Rosas” aus?

Wir haben Schwestergruppen in Brasilien, Chile, Bolivien und Mexiko. Angesichts der Katastrophe auf Haiti veröffentlichten wir eine Erklärung, die von mehr als 200 Feministinnen aus ganz Lateinamerika unterschrieben wurde. Wir fordern den Abzug der imperialistischen Truppen und auch die der UNO, denn sie treiben nicht nur die Rekolonalisierung der Insel im Namen von humanitärer Hilfe voran, sondern sind auch für Gewalt aller Art gegen haitianische Frauen verantwortlich. Die humanitäre Hilfe sollte aus den Profiten der multinationalen Konzerne finanziert werden – und dann von Organisationen der Frauen, Arbeiter, Studierende usw. Haitis verteilt werden. Außerdem fordern wir die sofortige Streichung der Auslandsschulden der Insel.

Interview: Wladek Flakin, Buenos Aires



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